6. September 2001
Briefe

Für mich sind Briefe besonders wichtig gewesen, in den ersten Jahren in Laos.
Viele meiner Freunde die ich in Deutschland zurück gelassen habe, haben mir schöne Briefe geschrieben und so blieb ich trotz der vielen Kilometer, die ich zwischen uns gelegt hatte, immer ein kleiner Teil ihres Alltags. Immer noch, setzten sie sich, an manchen langen Abenden mit mir zusammen, an einen Tisch, aus dem selben Grund, aus dem wir schon immer zusammen an einem Tisch saßen: Um einander zu sagen was war und was wir dabei dachten.
Dann, am Tag trugen sie die Briefe, die sie in langen Nächten geschrieben hatten zur Post, manchmal auch einfach in den nächsten Briefkasten. Die Briefe die im Briefkasten landeten, waren Folge-Briefe, die dem ersten Brief nach Laos, nachfolgten und genau soviel Seiten hatten, wie dieser Erste und der angelegte Vorrat an Briefmarken, auch eine Abkürzung war, auf dem Weg zu mir.
Allmählich gewöhntn wir uns an die Zeitverzögerung, die zwischen Rede und Gegenrede lag.
Abends auf der Terasse öffnete ich die Briefe, immer habe ich auf diese besondere Zeit hin gearbeitet und so lange ich las waren die Freunde bei mir, auch wenn ich geantwortet habe saß ich nie allein am Tisch.
Mit den Jahren wurden die Briefe weniger.
Auch gingen manchen Freundschaften zu Ende, nicht ohne Spuren zu hinterlassen.
Spuren in blauer Tinte, besonderem Briefpapier und bunten Postkarten.
Spuren die ich immer noch betrachten kann, von Freunden die einen anderen Weg, allein eingeschlagen haben, die sich verlieren schon in der Gegenwart, aus dem Vergangenen aber nicht mehr weg zu denken sind.
Soviele Briefe sind hier angekommen und ich habe für einige Freunde Ordner angelegt, wenn ich mich besonders nach einem Gespräch mit ihnen sehne, nehme ich mir einen Ordner mit auf die Terasse und ein Glas Wein, dann blättere ich und lese, schaue auf Postkarten und handgeschriebene Briefe und bin mir bewusst etwas ganz besonderes in den Händen zu halten.

Einmal war eine Freundin besonders glücklich, sie hatte mir lange Briefe während der letzten Tage ihrer Schwangerschaft geschrieben, die sie im Krankenhaus, in einer fremden Stadt verbringen musste. Nach Jahren fragte sie mich ob ich diese Briefe noch hätte und sie hat sich sehr gefreut, diese besonderen Briefe wieder in den Händen zu halten. Die Orginale wollte sie nicht, ich hätte sie ihr gerne wieder gegeben, sind sie nicht ihr Tagebuch?
Sie machte sich Kopien und ich bin froh das ich diese Briefe auch immer noch habe.
Mit befremden hatten wir feststellen müssen, dass alle anderen denen sie aus dem Krankenhaus geschrieben hatte, die Briefe weggeschmissen hatten, ein Gedanke der mir sehr fern ist.

© Ilona Düerkop

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