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Salon im Net, den 12. Januar 2011
ein Online Projekt von Ilona Duerkop

Ada Diekmann
schreibt wöchentlich für den Salon im Net. Letzte Kolumne
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Über Klatsch
Warum unser Interesse an Prominenten
nichts mit Verdummung zu tun hat

von Sarah Churchwell

… dieser vermutlich kulturelle Niedergang hat etwas von einem Märchen, das wir uns erzählen: Vor langer, langer Zeit gab es einmal hochgeistige Menschen, die nie tratschten. In dieser historischen Phantasie führten die Leute erhabene Diskusionen über die platonische Ideenlehre und nicht darüber, ob Platon gerne Sex mit Kriegern aus Sparta hatte oder ob er in seiner Toga ein wenig fett ausgesehen hat.

Wenn wir aber die Klassiker zur Hand nehmen, dann stoßen wir auf das Gerücht, dass Ovid wegen seines Geschwätzes über die Tochter des Kaisers ins Exil geschickt wurde. Und Catull soll ins Exil geschickt worden sein, weil er skurrile Verse über berühmte Römer schrieb.

Niemand hat jemals einen Weg gefunden, die Menschen vorm Tratschen abzuhalten. Einige Anthropologen glauben, wir haben eine evolutionäre bedingte Anlage für den Klatsch.

Kultur besteht aus den Geschichten, die wir uns über uns selbst erzählen – Geschichten wie in der Literatur, Geschichten aus Magazinen und Zeitungen, von denen alle mit Klatsch zu tun haben.

Klatsch ist der Ausdruck eines sozialen Drangs: Er zeigt unser Interesse an den anderen. Erst wenn wir die Geschichte und Literatur als essenziellen sozialen Akt verstehen, können wir den Klatsch richtig verstehen.
© Sarak Churchwell
für die Süddeutsche Zeitung

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