18. Juni 2001
Leben im Ausland

Du schreibst das dir Deutschland zu eng ist und das du planst im nächsten Jahr wieder in Amerika zu arbeiten. Du fragst wie es mir damit geht. Ich versuche eine Antwort aus der Ferne. Aus der Ferne deshalb, weil ich nur alle 2 Jahre nach Deutschland komme. Dazwischen bin ich meine meiste Zeit in Laos, von 52 Wochen, sind das immerhin rund 46 Wochen.
Am Anfang in Deutschland habe ich das Gefühl im Weg zu stehen, vor allem in den Geschäften bei denen man weiss was man will und nur zielsicher zwischen den Regalen hin und her läuft und hier etwas aus dem Regal nimmt und dort, um es dann in den Einkaufswagen zu werfen und schnell zur Kasse zu schieben. Ich bin nicht dort um meinen Wocheneinkauf zu machen, oft will ich nicht einmal etwas bestimmtes, sondern nur schauen, ich brauche nur wenig.
Vor der ersten automatischen Tür schrecke ich zurück, alle zwei Jahre, mache ich einen erschrocken Schritt nach hinten und werde dann nach vorne geschoben, von dem nächsten eiligen Kunden, der schon hinter mir in den Laden drängt.
Ein bisschen fremd ist mir Deutschland in diesen kurzen Momenten, und ich freue mich darüber, dass man diese Dinge die in Deutschland permanent um uns sind, ohne das wir sie überhaupt wahrnehmen, dass es möglich ist diese Dinge zu vergessen und sie fast wieder neu zu treffen, dass öffnet den Blick, schafft Distanz, in der ich mich auch etwas fremd fühle, aber nicht ganz, denn ich bin Deutsche, egal von wo ich komme und egal wie lange ich dort war. Ich bin Deutsche, weil ich in Deutschland geboren wurde, dass ich das als Zufall betrachte, ist mein eigener persönlicher Luxus, mehr nicht.
Dies ist ein Wissen das nur ich habe, dass man mir nicht ansieht, wie lange ich wo war. Manches irritiert mich, ärgert mich auch, weil ich es nicht mehr verstehe.
Zum Beispiel das Kilo Tee, dass ich im letzten Jahr in Bonn, eine Stunde nach dem ich es gekauft hatte, wieder zurück geben wollte. Die Verkäuferin erinnete sich auch noch an mich. Kein Wunder, wer sonst kauft gleich ein ganzes Kilo Wildkirschtee auf einmal, für 36 DM?
Sie  erklärte mir sehr freundlich, dass dies ein offenes Lebensmittel sei, und das die Rücknahme laut Lebensmittelgesetz verboten sei. Laut Gesetz, war der grosse Balken der sich zwischen uns geschoben hatte, und über den hinweg sie mich freundlich ansah, sie würde ja gerne, aber sie könne da nichts machen, ich sah förmlich die vom Gesetz gebunden Hände und dachte bei mir, ob sie wohl auch weiss, wie leicht der Schritt über den Balken sein kann und das hinter dem Balken nichts weiter geschehen würde. Zeugen für ihr "Verbrechen" gab es auch keine.
Ich verlies dann den Laden, mit einem Kilo richtigen und einem Kilo falschen Tee, Reste vom schwarzen Wildkirschtee habe ich immer noch und die Verpackung ist so aromadicht, dass er immer noch seinen vollen Geruch hat und den Gästen zufolge, die ihn trinken, schmeckt er auch sehr gut.
Nur ein Aspekt, die Gesetze hinter denen man sich auch verstecken kann, man würde ja gerne, aber man darf nicht. Man darf nicht! Als gäbe es keinen freien Willen, nur diese flauschige Bequemlichkeit, die einen einlullt und einem die Hände doch bindet, aber das ist eben so.
Viele Dinge sind schwierig in Deutschland, ob es das ist was dich wieder nach Amerika treibt?
Ohne das ich es beabsichtige treffe ich auf überraschende Grenzen, alle zwei Jahre wieder in Deutschland. Grenzen die ich schon im selben Augenblick wieder erkenne, ja stimmt das geht ja nicht und lächel, weil es trifft mich ja nicht, nicht wirklich, ich gehe ja wieder fort, zurück nach Laos. Ich brauche nicht wirklich darüber nachzudenken, wie es ist, wieder irgendwo in Deutschland zu leben. Es gibt Dinge die ich vermisse, meine Bücher, oft sogar, Waldspaziergänge, sehr, Quark.
Gespräche mit ganz bestimmten Menschen, die warten müssen, bei den zum Glück wenigen Freunden, die nicht schreiben.
Vielleicht wenn jeder einmal Deutschland aus der Distanz sehen könnte?
Ich weiss genau was es ist, dass dich wieder forttreibt, auch wenn ich es nur kurz sehe, alle zwei Jahre.
Manches was ich gar nicht sehe, wegen der Umstände und wegen der Kürze der Zeit. Sechs Wochen.
In diesen 6 Wochen arbeite ich nicht, habe also keine Kollegen, Mobbing nur vom Hörensagen, und bleibe nicht lange an einem Ort, weil all meine Lieben in ganz Deutschland verteilt sind.
Manches ist besser, als ich dachte, zum Beispiel die Freundlichkeit der Deutschen, und das im letzten Sommer, der so ziemlcih nicht vorhanden war und da ist es schon  schwer fröhlich zu sein, wenn dies der Sommer ist, der für ein ganzes Jahr reichen muss.
Mich treibt es nicht fort von Deutschland, ich bin fort und ich möchte noch nicht zurück, aber ich nenne es Neugier und den Laoten erkläre ich es damit, dass ich mein bisheriges Leben in Deutschland gelebt habe und nun einfach etwas anderes sehen möchte, sie verstehen es nicht. Meine Familie, meine Eltern, ich muss sie doch furchtbar vermissen. Für mich sind das zwei grundverschiedenen Dinge, nenn das eine Heimweh und das andere Fernweh, obwohl ich wuerde es nicht so nennen. Ich habe kein Heimweh, ich lebe dort wo ich bin, eine Eigenschaft für die ich dankbar bin, wenn ich auch nicht weiss wem ich sie verdanke.
Für mich ist es wirklich so einfach, ich kenne Deutschland bereits, jetzt möchte ich etwas anderes kennenlernen, richtig, soweit es geht.
Das ist mein Weg zu Leben, auf diesem Abschnitt, solange er dauern mag, ich selbst weiss es nicht und freue mich schon auf ein neues Land, in zwei Jahren, oder so, von dem ich selbst jetzt noch nicht weiss welches es sein wird.
Malaysia ist diesen Juli und August nur ein Land durch das ich reisen werde und auf das ich mich sehr freue, seit dem ich in Bildbände eintauche, die ich seit Gestern (17.Juni) geliehen habe.
Auch ich brauche Bilder für meine Phantasie.

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© 2001 Ilona Duerkop