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07. Oktober 2002
Graf Battistello von Luang Prabang
der dritte Brief

Meine liebe Claire

Wie oft habe ich unseren gemeinsamen Spaziergang, wieder in mein Gedächtnis zurück berufen?
Unzählige Male!
In der Bibel heißt es: „Aber hast du die Liebe nicht, so bist du nichts.“
Ich aber sage, hast du dir die Freundschaft eines Menschen nicht verdient, so bist du nichts.
Liebe ist vergänglich, ich habe ihr misstrauen gelernt. Klug wie sie sind, haben sie das auf das deutlichste erfühlt. Das ich die Freundschaft über die Liebe erhebe, könne meinem Egoismus entspringen, darin kann ich ihnen, bis heute noch nicht zustimmen.
Hätten wir auf die Liebe, statt der Freundschaft gebaut, dann wären sie liebste Claire, nach unserem gemeinsamen Spaziergang, Diejenige, die den Schlüssel in die alte Eichentüre gesteckt hätte, sie wären mir in die Küche vorausgeeilt und hätten, von dort laut gerufen, ob ich Tee oder lieber Kaffee möge. So aber trennten wir uns schon vor dem malerisch, in grün und rot leuchtenden Ententeich, und ich kam ganz allein bei mir zu Hause an. Ich gönnte mir ein Glas Rotwein und zündete mir eine Pfeife an. Meine Gedanken machten sich ungestört erneut auf die Wege, die wir gemeinsam beschritten hatten, dass worüber wir sprachen baute ich in meinem Gedächtnis Satz für Satz wieder auf.
Ihre Klugheit verleitet sie nicht dazu, unsere innige Freundschaft, zur Mäßigung des Vertrauens zu zwingen. Im Gegenteil, die wechselseitige Eröffnung unserer verborgensten Gedankenwelten, berühren mich oft so unmittelbar, dass ich im ersten Augenblick das Gefühl eines langen, friedvollen Sturzes habe, an dessen Ende ich in tausend Kissen lande, um wieder sie neben mir zu finden, gerade dort die Reise durch unsere Welten fortzusetzen, an der mich die Macht der Erkenntnis, eine verwandte Seele in ihnen gefunden zu haben, fortgerissen hatte, im glückseligen Taumel.

Meine liebe Claire, ich habe heute die Kühnheit, sie im November zu mir, auf meinen Landsitz einzuladen. Wie sie wissen ist mir der November der unerträglichste Monat und ich flüchte jedes Jahr, aus meiner Stadtwohnung. Werden sie kommen?

Bevor ich mich anders besinnen kann, beende ich diesen Brief rasch und verabschiede mich, beinahe mit klopfendem Herzen.
Schon habe ich nach Gustav geschickt und er wird bald hier sein, um diesen Brief in Empfang zu nehmen und zur Post zu tragen. Ich muss mich also eilen mit dem Ende.

In inniger Freundschaft verbunden ihr
Graf Battistello von Luang Prabang




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Graf Battistello von Luang Prabang schreibt seit 2002, seine nachdenklichen Briefe an Claire.
Die meiste Zeit lebt er in Berlin, in einer großzügigen Stadtvilla.
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